Zeitungsartikel in der Schwäbischen Post, Aalen zur Einzelausstellung von Erwin Holl „ÜberSicht“, Landratsamt Aalen, 2015
Der Hauch einer Landschaft
Von Herbert Kulimann
AALEN – Die Formate der Bilder sind enorm. Da dürfen es gern auch mal 2,60 Meter in der Länge sein. Sparsam, aber meist diffus der Farbauftrag, in dem Mensch, Landschaft und Architektur zu erkennen sind. Wer im Aalener Landratsamt die Bilder Erwin Holls abschreitet, müsse gewahr sein, sich in einem Labyrinth zu verirren, warnt vorsichtshalber Vernissageredner Clemens Ottnad. Schmunzeln beim Künstler. Mit „Übersicht“ hat er seine Bilderschau vielsagend überschrieben. Zutreffend, aber auch irreführend, kommentiert Ottnad, Geschäftsführer des Künstlerbundes Baden-Württemberg, umgehend, da die Arbeiten aufschlussreichen Einblick in das künstlerische Schaffen ermöglichen. Zugleich aber auch einen heiklen Weg in Gegenständlichkeit und Abstraktion aufzeigen. Für die Ausstellungsbesucher eine Herausforderung, nicht nur wenn sie schemenhaften Wegen in „Spuren“ folgen, sich durch Verdichtungen in „Faltungen“ kämpfen und nach Zusammenhängen bei mit Stift und Acryl gezeichneten „Landschaften“ forschen.
Zu sehen ist ein Hauch von Landschaft, der Anschein von Gegenständen, manchmal an Architektur erinnernd. Darüber, darunter und dazwischen unübersehbar grafische Elemente. Linien, Ecken oder gerundete. Abstrakte Formen, bekannt erscheinende Chiffren schaffen neue Bildräume im Bildraum. Dabei entsteht ein subtiles Spiel, das Holl immer wieder neu mit lasierenden und deckenden Farbschichten initiiert, um den Eindruck von Schweben entstehen zu lassen.
Ottnad nennt es Schwerelosigkeit durch sphärische Farben. Handfester gerie- ren sich Holls zeichnerische Univer- sen, in denen Aquarell, Kreide und Stift die Sicht der Welt bestimmen.
Geheimnisvoll vielschichtig
Auffallend die Berührungspunkte mit dem malerischen Oeuvre: begrenzt farbig, geheimnisvoll vielschichtig. Plausibel und voller Gefahren, meint Ottnad, um selbst Holls Verwirrspiel aufzunehmen: „In den Bildern hat alles mit allem zu tun.“ Sie seien eine Komposition von Unterschiedlichem und Gleichem, bei der Zeichnung zur Malerei wird. Für den Betrachter auf alle Fälle ein vielversprechendes künstlerisches Zwischenland, das bei der Vernissage am Freitagabend von den beiden Violinistinnen Antonia Frank und Vianna Kupfer musikalisch in Szene gesetzt wurde.1
Erwin Holl wurde 1957 in Abtsgmünd geboren. Er studierte in Stuttgart Kunst und Kunstgeschichte. Stipendien führten ihn
unter anderem nach Neapel, Paris, Valence und Rom. 1989/91 lehrte er in Pforzheim Malerei und Zeichnung, war die letzten Jahre | ständiges Mitglied der Kunstkommission „Kunst am Bau” Baden-Württemberg.